Wie läuft es, wo sind noch Reserven? Kürzlich wurden zwei Fachleute befragt, wie es um die Vorzeigeunternehmen im Müglitztal bestellt ist.
Die Uhrenjournalisten Peter Braun und Gisbert Brunner verfolgen schon seit vielen Jahren die Entwicklung der Uhrenfirmen in Glashütte. Sie wissen, wie diese funktionieren.
In diesem Artikel:
• Lange Uhren werden derzeit stark nachgefragt
• Glashütte Original anscheinend weiter in Asien sehr präsent
• Grossmann sticht mit ausgefallenen Neuheiten heraus
• Nomos Glashütte hat alles gut gemanagt
• Tutima – bekannt für robuste Uhren
• Union – etabliert, aber zu stark von außen beeinflußt
• Mühle hat sich eine bedeutende Nische erobert
• Wempe – etabliert als Uhrenhersteller
• Söhnle versorgt breit aufgestellte Käuferschicht
• Fazit: Die Uhrenstadt ist außer Gefahr
Aktuell ist die Nachfrage nach Luxusuhren groß. Viele Menschen kaufen heute Uhren, die sich früher nicht dafür interessiert haben. Denen habe jemand den Floh ins Ohr gesetzt, sie müssten Uhren als Wertanlage und Statussymbol haben, äußerte Peter Braun. Der 61-Jährige ist Chefredakteur der Zeitschrift “Armband-Uhren” und sei nicht davon begeistert. Diese Leute verdürben die Preise. Die Folge: für viele Uhrenliebhaber sind Uhren zu teuer geworden. Sie könnten die Uhren nicht mehr zum Ladenpreis. kaufen.
Wenn sie ein begehrtes Uhrenmodell kaufen wollen, müssen Zwischenhändler eingeschaltet werden. Nutznießer dieses Trends anscheinend vor allem eine Glashütter Uhrenfirma. Firmen im Preissegment bis 2.000 € kämpften dagegen mit der Konkurrenz der Smartwatch, sagt Gisbert Brunner. Seit 1981 interessiert sich der 75-Jährige für Uhren, ist ein ausgesprochener Fachmann für Glashütte und ist mit “Uhrenkosmos” Inhaber einer eigenen Internetseite. Sächsische.de bat ihn und Braun zu einem Statement zu Glashütte.
Lange Uhren werden derzeit extrem nachgefragt
Lange ist Nutznießer des eingangs erwähnten Trends. Lange würde aktuell überrannt, meinte Peter Braun. Die Glashütte Firma habe ein Luxusproblem. Laut Gisbert Brunner müssten Käufer lange auf ihre Wunschuhr warten. Vor allem die Nachfrage aus dem Ausland sei so massiv, dass man mit der Produktion nicht mehr hinterherkomme. Lange stellt lediglich 5.000 bis 6.000 Uhren jährlich her. Eigentlich müsste man dies erweitern, so Brunner. Man könne dies allerdings nicht, weil es an Uhrmacher fehlt. Für die Preisstabilität sei es seiner Meinung nach jedoch schlechter, eine Uhr mehr als eine zu wenig zu haben.
Glashütte Original anscheinend weiter in Asien sehr präsent
Wie es der zweitgrößten Manufaktur – Glashütte Original – aktuell geht, ist den Experten unbekannt. Es sei relativ ruhig geworden in den letzten zwei Jahren, konstatierte Braun. Nur wenige neue Modelle kamen heraus. Braun ist überzeugt, dass die Firma in Asien erfolgreich vertreten ist. Die Manufaktur habe vor zehn, 15 Jahren den chinesischen Markt gut entwickelt. Gisbert Brunner sieht dies skeptischer. Nach seinen Informationen sei die Lage in der Firma eher nicht so gut. So werde Glashütte Original vom Swatch-Konzern in der Entwicklung gebremst. Brunner habe die Firma in früheren Zeiten als kreativer in Erinnerung. Bei den Uhren vermisst er den Wiedererkennungswert.
Grossmann sticht mit ausgefallenen Neuerungen heraus
Grossmann habe seinen Platz gefunden, meint Gisbert Brunner. Die Uhren seien sehr schön und sehr gelungen, äußert Peter Braun. Die Firma mache immer wieder mit ausgefallenen Neuheiten auf sich aufmerksam. Da die Stückzahlen so klein seien, wären diese dann schnurstracks auf Monate hin ausverkauft, so Braun. Die Marke würde in Deutschland allerdings nicht so stark wahrgenommen. Ihr Hauptmarkt sei Asien, sagt Brunner. Dort sei die Firma wesentlich besser aufgestellt als hier in Deutschland.
Nomos Glashütte hat alles gut gemanagt
Er finde Nomos fantastisch, sagt Gisbert Brunner. Die Firma, die eine Uhr jeweils nach den Grundsätzen des Deutschen Werkbundes produzierr, mache alles korrekt. Sowohl ihrem Stil im Design als auch der Philosophie sei sie treu geblieben. Von der Firma erhalte man gute Uhren zu einem adäquaten Preis. Besser könne man das nicht machen, konstatiert Brunner. Um Nomos mache er sich keine Sorgen. Ähnlich argumentiert Braun, nämlich daß Nomos sehr gut aufgestellt sei.
Tutima – bekannt für für robuste Uhren
Tutima habe sich mit seinen Fliegeruhren bekannt gemacht und gut etabliert, sei aber in der Kommunikation ein bißchen schwach geworden, äußert Peter Braun. Die herkömmlich gestalteten, robust gebauten Uhren im mittleren Preissegment seien vor allem bei Männern beliebt. Damit habe man ein Alleinstellungsmerkmal. Tutima sei gut aufgestellt, meint Braun. Gisbert Brunner hingegen wartet bei Tutima auf Innovationen. Z. B. sollte die Firma einmal ein eigenes Uhrwerk herstellen. Die Firma habe – finanziell betrachtet – die Möglichkeiten.
Union – etabliert, aber zu stark von außen beeinflußt
Die Uhrenfabrik Union gehört ebenso wie Glashütte Original Schweizer Uhrenkonzern Swatch an. Diese Firma scheine sich sehr gut etabliert zu haben, meint Braun. Das Unternehmen versorge ein Preissegment, zu dem viele Menschen einen Zugang fänden, so Braun. Für Brunner war Union früher einmal Glashütte. Jetzt sei es ihm zu ausgeprägt Swatch Group.
Mühle hat sich eine bedeutende Nische erobert
Das Familienunternehmen Mühle habe seine Uhren-Linie gefunden, so Gisbert Brunner. Er findet es gut, wie die Firma geleitet wird und wie sie ihr Preissegment hofiert. Nach Peter Braun gehe es der Firma ziemlich gut. Dem Unternehmen mit einem Sortiment aus klassischen Uhren und vor allem Taucher- und Sportuhren, sei es gelungen, mit letzterem Segment eine Nische zu vereinnahmen.
Wempe – etabliert als Uhrenhersteller
Wempe habe seinerzeit mit der Uhrenproduktion begonnen, um gute Modelle bis maximal 2.000 Euro bieten zu können, so Braun. Zwischenzeitlich baue Wempe aber auch Chronographen, für die man schon mal 5.000 Euro hinlegen müsse. Und auch dafür habe Wempe Kunden. Das sei interessant. Für Brunner hingegen fehlen bei Wempe die Innovationen. Davon habe habe er in den letzten drei Jahren nicht wirklich viel Neues entdeckt.
Söhnle versorgt breit aufgestellte Käuferschicht
Die Firma Söhnle war den Uhrenexperten die letzten Jahren nicht durch Innovationen aufgefallen. Deswegen ist ihr Interesse nur minimal. Allerdings sagt Braun, Söhnle bediene mit den Juwelieren eine weite Käuferschicht. Trotzdem sei die Marke für ihn aber uninteressant. Ähnlich äußert sich Brunner.
Fazit: Die Uhrenstadt ist außer Gefahr
Der Standort Glashütte sei nicht in Gefahr, meint Braun. Die Firmen werden weiterhin hochpreisige Uhren veräußern. Treue Kunden gäbe es vor allem beu gutbegüterten Männer im besten Alter. Sobald diese sich einmal eine hochpreisige Uhr angezogen haben, dann stiegen sie nicht auf eine Quarzuhr um.
In und um Glashütte ist ein guter Arbeitsmarkt für Uhrmacher vorhanden. Deswegen habe die Uhrenfirma Sinn aus Frankfurt/Main in Dresden ein Servicezentrum eröffnet. In der Hessen-Metropole seien wenig gute Uhrmacher vorhanden, so Braun.
22.10.2022